Freitag, 13. Dezember 2013

Informatives

Rückblick auf das Jahr 1968

Willy wird 100

Dass die SPD trotz Enttäuschungen über die Große Koalition bis 1969 als Hoffnungsträgerin dastand, hatte mehrere Gründe. Die Wirtschaftsflaute 1966/67 war auf die BRD begrenzt und konnte 1968/69 vor allem auch durch verstärkte Exporte überwunden werden. Ehemalige Bergarbeiter fanden anderswo Arbeit. Bis 1970 sank die Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet und bundesweit wieder auf 0,7 Prozent. Im Spätsommer 1969 entlud sich die Unzufriedenheit in den Betrieben in einer spontanen Welle von Streiks für Teuerungszulagen. Dies und die seit den europaweiten Massenprotesten 1968 einsetzende Aufbruchstimmung stärkte im Wahlkampf 1969 die SPD. Wie kein anderer an der SPD-Spitze verstand es Willy Brandt, auch aufgrund seines eigenen Werdegangs, eine aufmüpfige junge Generation aus der Arbeiter- und Studentenbewegung einzubinden, den Protest in ein reformistisches Fahrwasser zu lenken und ihm die revolutionäre Spitze zu nehmen.

Scharf links, 12. Dezember 2013

Dienstag, 2. Juli 2013

Der Schweiz-Meyer

Berät den "Blick" und interviewt "herausragende Intellektuelle"

Frank A. Meyer ist ein Journalist aus der Schweiz, der die Boulevard-Zeitung "Blick" berät. Gibt es da nicht noch einen? Altkanzler Gerhard Schröder! Ob auch Meyer Putin für einen "lupenreinen Demokraten" hält, müsste ich googeln, aber den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert wird er dafür halten. Der ist gestern auf 3sat sein Gesprächspartner gewesen.

Wenn sich Intellektuelle unterhalten, fragt man sich oft, wann die endlich ihre Bibliotheken verlassen, den Staub von Büchern blasen und dem "Volk aufs Maul" schauen. Lammert vertritt die Auffassung, dass gemeinsame Überzeugungen wichtig sind für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Kann er. Man muss seine Überzeugungen schließlich nicht teilen. Das ist mir gestern Abend besonders leicht gefallen, als der Journalist aus der Schweiz, der übrigens bei jedem Gespräch sein Heimatland als leuchtendes Beispiel darstellt, das Gespräch auf  "die 68er" brachte. In Windeseile wurde diese Generation auf Rudi Dutschke reduziert, Lammert bescheinigte ihm eine hohe Intelligenz und eine große Redegewandtheit, sicher war der Bundestagspräsident auch: "Den Weg von Joschka Fischer wäre er nicht gegangen."

In meiner Broschüre "Blumen im Haar - Philishave am Kinn - Polizeiknüppel im Nacken" habe ich eine Bundestagsdebatte dokumentiert, die am 9. Februar 1968 stattfand. Der CDU-Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger schrieb damals Demonstrantinnen und Demonstranten ins Stammbuch, dass jeder seine Meinung frei äußern dürfe, da man aber in einem Rechtsstaat lebe, "in dem niemandem erlaubt ist, seine Meinung durch Gewalt auszudrücken", müssten Gesetz und Recht geachtet werden. Was aber am 2. Juni 1967 nicht für den Polizeibeamten gegolten hatte, der in Berlin den Studenten Benno Ohnesorg ermordete?

Kann und darf man Überzeugungen mit jemandem teilen, der mit zweierlei Maß misst?  Soll Zusammenhalt mit Lügen erkauft werden? Norbert Lammert mag Multikulti für gescheitert halten, in Wirklichkeit scheitert sein Gesellschaftsmodell an so genannten "hochgestellten Persönlichkeiten", die jedes Vertrauen unterhöhlen. Das zu erkennen, dafür ist er zu intellektuell?

Sonntag, 16. Juni 2013

Früher DDR

Und jetzt werden sie sogar vom "Spiegel" vermisst

Früher haben Landwirte am Straßenrand gestanden, die bunten Demo-Schlangen nachriefen: "Geht doch in die DDR, wenn es euch hier nicht gefällt." Dass die Funktionäre im "real existierenden Sozialismus" darüber gar nicht begeistert gewesen wären, so weit reichte die Fantasie dieser Pöbelnden nicht. Dann ging die DDR unter - und das Bunte verschwand auch? Vermisst wird es jedenfalls von einer "Spiegel"-Autorin. Und zwar sehr. Oberflächlich.

Denn diese Frau scheint verrückt mit vergammelt zu verwechseln. Dabei ist man in dieser Welt wie von selbst verrückt, wenn man normal bleibt. Da hungern Kinder und Regierungen liefern sich einen Rüstungswettlauf. Quer denken war zwar schon früher verboten, aber heute ist aus Denken "Denkste!" geworden. Da mischen sich unverheiratete Männer in Kleidern in das Privatleben ein und der Bundespräsident und die Bundeskanzlerin halten die auch noch für wichtig. Die katholische Kirche hat es dem Vernehmen nach auch früher schon gegeben, aber wenn der Vatikan etwas verbot, stellte man die Songs der Stones lauter. Jedes Verbot war ein nützlicher Tipp. Bis der Vatikan von der Mafia den Tipp bekam, dass es nichts Wichtigeres gibt als gewaschenes Geld.

Die Normalen, die als verrückt gelten, dürfen gar nicht vergammelt sein. Das wäre Anpassung. Wer über ein gutes Gedächtnis verfügt, geht beim zweiten Mal nur noch widerwillig zur Wahl. Bei den Spontis hieß es früher "Wissen ist Macht. Nichts wissen, macht nichts." Die haben es in zwei Sätzen gesagt, heute gibt es bei jedem Sender Talkshows, die mindestens 45 Minuten dauern. Und bald wieder bunte Plakate. Weil niemand merken soll, dass früher nur die Theorie grau war und heute auch die Praxis derjenigen, die Normale für verrückt erklären...?

Donnerstag, 21. März 2013

Hannes Wader

Echo für Lebenswerk

Geboren 1942 in Bielefeld. Das verheißt eigentlich nichts Gutes. Dennoch bekommt Hannes Wader heute Abend den Echo für sein Lebenswerk. Er ist mal hier - er ist mal dort gewesen. Er war sogar in der DKP und war lange davon überzeugt, dass sozialistische Umweltverschmutzung besser ist als kapitalistische. Bis die Mauer fiel. Er habe das Schwarz-weiß-Denken gebraucht, sagt er. Sogar als ihm ein Polizeibeamter eine Pistole in die Rippen hielt, weil er eine Wohnung an die Terroristin Gudrun Ensslin vermietet hatte. Die hatte ihn gelinkt, gab sich als NDR-Redakteurin aus, machte während seiner Abwesenheit Sprengstoffexperimente in der Wohnung.

Da war die rechte Sache klar: Dieser Liedermacher musste geschnitten werden. Aber Reinhard Mey hat zu ihm gehalten. Andere auch. Die Schmuddelkinder hielten zusammen. Strömten wie meine Frau und ich ins Aegi, als er in Hannover ein Konzert gab. Bei dem man ihm den Strom abschaltete, weil er zu lange auf der Bühne stand. Da verschwand er für ein paar Minuten. Dann waren Hannes Wader und das Licht wieder da. Wie der Verfassungsschutz den ganzen Abend...

Diesen Liedermacher mochte die Studentenbewegung. Manchmal ein bisschen zu viel. Alle wollten etwas von ihm. Nur für sie sollte er noch singen. Das hat er abgelehnt. Heute Abend verbeugen sich auch Sängerinnen und Sänger vor ihm, die ein oder zwei Lieder von ihm möglicherweise aus der "Mundorgel" kennen. Denn Hannes Wader hat das Volkslied aus dem Sumpf von Nationalismus und Deutschtümelei befreit.

Dieser Liedermacher mag viel verloren haben - aber den Echo gewann er zu Recht.