Dienstag, 24. Januar 2012

2. Juni 1967

24. Januar 2012
Ein Mord in Berlin

Die West-Berliner Polizei hat offenbar die Hintergründe des tödlichen Schusses auf den Studenten Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien am 2. Juni 1967 vertuscht. Damit wurde der Kriminalbeamte Karl-Heinz Kurras, der Ohnesorg erschossen hatte, geschützt. Neue Ermittlungen der Bundesanwaltschaft und Recherchen des SPIEGEL haben ergeben, dass Kurras den Schuss offensichtlich unbedrängt aus nächster Nähe und umgeben von mehreren Polizisten abgegeben hat.

Spiegel, 23. Januar 2012

Kurras, der heute 84 Jahre alt ist und auf seine herrisch-verstockte Art über die Tat nicht mehr reden möchte, galt schnell als Paradetyp des autoritären deutschen Polizisten. Er war Ordnungsfanatiker, Waffennarr, neigte zu Gewalt: der typische deutsche Untertan, wie ihn Heinrich Mann und andere gezeichnet hatten.

Die Welt, 24. Januar 2012

Und jetzt erzählt die Springer-Presse die Geschichte der Studentenbewegung neu, nennt Karl-Heinz Kurras einen Mörder, der allerdings zweimal freigesprochen worden ist. Laut "Welt" ist dieser Mord nicht die Initialzündung für die damalige "Revolte" gewesen. Mit der sich seinerzeit "Bild" überhaupt nicht anfreunden konnte. Was heute irgendwie nicht mehr stimmen soll. Die Hetze soll relativiert werden. Bleibt aber wahr.

Zeitungen wie das im Axel-Springer-Verlag erscheinende Boulevard-Blatt "Bild" hetzten massiv gegen die Vertreter der 68er-Bewegung und bezeichneten sie öffentlich als "ungepflegte Politgammler" und "Krawallköpfe", gegen die man "gewaltsam" vorgehen müsse. Man verurteilte die Anhänger der Studentenvereinigungen generell, radikal und gewaltbereit zu sein und forderte die Bevölkerung dazu auf, die "Störenfriede" zu bekämpfen.

Helles Köpfchen

Dem hält Dr. Mathias Döpfner als Vorstandsvorsitzender des Springer-Verlages entgegen:

Manche Klischees in den Köpfen erweisen sich auch als Endmoränen einer bis heute wirkungsvollen SED-Propaganda und Stasi-Desinformation.

MedienArchiv 68 

Wer damals als friedlicher Demonstrant beschimpft worden ist, hat sich das nur von der Stasi einreden lassen? Der war damals SED-beeinflusst, wenn ihm missfiel, dass die Springer-Presse über den späteren Bundeskanzler Willy Brandt  herzog und beispielsweise die Frage stellte, wie dieser Sozialdemokrat politisch führen wolle, wenn er sogar schon bei der Erziehung eines seiner Söhne versagt habe?

Als Benno Ohnesorg ermordet wurde, saß der Regierende Bürgermeister Heinrich Albertz mit dem Schah in der Oper. Wenige Monate später trat er zurück, weil bei einer Untersuchung "Fehler der Polizei und des Senats" offenbar geworden waren. In den 80er Jahren traf ich Albertz bei der Frankfurter Buchmesse. Er hatte sich immer noch nicht verziehen, dass er auf  "Lügen der Polizeiführung" hereingefallen war. Vieles war ihm seinerzeit immer noch schleierhaft, dass am 2. Juni 1967 ein Student gestorben war, hatte er sich selbst immer noch nicht verziehen.

Die Vertuschung hat funktioniert, bis sich herausstellte, dass Karl-Heinz Kurras für die Stasi gearbeitet hatte? Da konnte man endlich den Schleier lüften? Warum kam man diesem "typischen deutschen Untertanen" nicht früher auf die Schliche? Hinweise gab es doch genug, die Aussagen von Kurras waren widersprüchlich. In einer Reportage, die eher zufällig entstanden war, wurde dokumentiert, wie die Polizei die Eskalation zwischen Anti- und Pro-Schah-Demonstranten organisierte. Damit hatte die Stasi doch gar nichts zu tun.

Der Mord in Berlin ist also längst noch nicht aufgeklärt...